Geschichte

Die Conzes und die Anlegestelle bei Konse

Der Name des Dorfes Konse wurde vom Namen des ehemaligen Ratsherren und Kaufmanns Conze abgeleitet. Die Conzes hatten in Pärnu viele Besitztümer, deren Grenzen die Landstraße Riga, die Liiva-Strasse, der Fluss Pärnu und der Alte Friedhof bildeten.

Der Kaufmann Adolf Conrad Conze (1784-1849), der aus der sächsischen Stadt Celle stammte, heiratete 1813 die Kaufmannstochter Elisabeth Helene Harder (1799-1876) und wurde 1825 als Bürger von Pärnu anerkannt. Die Familie hatte drei Söhne und vier Töchter. Seit 1829 war Conze der Hannoversche Konsul in Pärnu.

Der älteste Sohn Friedrich Anton (1823-1906) wurde 1868 als Bürger von Pärnu anerkannt. In demselben Jahr wurde er zum Ratsherrn gewählt und in den Jahren 1877-1889 war er als Polizeibürgermeister von Pärnu tätig. Im Jahre 1881 heiratete er Anna Walter (1836-1917), die aus Pärnu-Jaagupi stammte.

Die Firma Conze ja Ko spezialisierte sich auf Wergexport und wurde dadurch reich, gemessen am Steuerbetrag lag sie an 3.-4. Stelle hinter zwei großen Kaufhäusern von Pärnu.

Angeblich gehörten Friedrich Conze der Flachsspeicher an der Liiva-Strasse und die Scheunen für die Seilherstellung, die um die Jahrhundertwende an die Fabrik “Waldhof” verkauft und in Arbeiterwohnungen umgebaut wurden.

Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass diese Gebäude dem Kaufmann Hans Gottlieb Oelbaum (1816-1896) gehörten. Der andere auf demselben Grundstück befindliche Speicher wurde später als Getreidelager der Rotermann-Mühle in Tallinn eingesetzt, wohin Getreide mit Schiffen aus dem Ausland gebracht wurde. Der Leiter und einer der Eigentümer der AS Rotermanni Tehased war der Deutschbalte Christian Ernst August Rotermann (1869-1950). Rotermann hatte in Estland eine große Getreidemühle, eine Brotfabrik und Holz verarbeitende Industrie.

Später befand sich im aus Ziegeln gefertigten Flachsspeicher die Ofenkachelindustrie von Hans Permann – Ants Pärnoja und in der Sowjetzeit wurden dort verschiedene Keramikartikel angefertigt. Im hölzernen Getreidelager befanden sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Tischler-, Möbel- und Sattlerwerkstätten, ein Sarghersteller sowie Amtsräume. Das Gebäude brannte 2001 nieder. Ebenso wurde das Flachslager aus Ziegeln abgerissen, der spätere Anbau ist erhalten geblieben. Mehrere aus der Seilscheune erbaute Wohnungen sind noch in Gebrauch, die übrigen wurden aber verlassen.

Friedrich Conze begann 1867 in Pärnu mit der Bierbrauerei. 1869 baute er an der Ecke der Strassen Suure-Jõe und Liiva die Brauerei, den Eiskeller und das (die)Wohnhaus(häuser). Die größeren Bierhersteller von Pärnu zwangen ihn aber dazu, seine Produktion einzustellen. Die Brauerei ging dann zuerst in den Besitz von Endrik Kull und daraufhin in den Besitz des Kaufmanns und Wodkafabrikanten Carl Norrmann über, der Anfang des vorigen Jahrhunderts das Bierbrauen dort auch endgültig beendete.

In den Anfangsjahren der Republik Estland arbeitete in diesen Räumen die Konservenindustrie von A. Kull, die aber 1924 aufgelöst wurde. Später wurden diese Räume von der Bierfabrik A. Silvere “Livoonia” in Tartu und der Valga Tööstuse-Kaubanduse Aktsiaselts genutzt. Sie nutzten das Gebäude als Zwischenlager in Pärnu.

In der Sowjetzeit befanden sich in diesen Räumen die Fischfabrik Liiva (Livoonia) des Fischkombinats von Pärnu und die Clubräume des Kombinats. Es handelte sich um eine der größten Industrien in Pärnu, wo 1981 2500 Menschen beschäftigt wurden.

Bei Konse legten einstmals auch Schiffe an und Menschen wurden mit Booten an das Ufer Niidu befördert. In den Jahren 1915-1923 befand sich dort als Strassenverlängerung die von der russischen Armee erbaute Schwimmbrücke.

“Waldhof” war die größte Zellulosefabrik Russlands, die zwischen dem Fluss Pärnu und der Riga-Strasse erbaut wurde und 1900 die Arbeit aufnahm. In der Hochsaison waren dort über 3000 Arbeiter beschäftigt.

In der Arbeitersiedlung von “Waldhof” wuchs auch Elss Järvi (1901-1984), die Mutter des weltweit berühmten Dirigenten Neeme Järvi auf, die im Buch „Kindheitsgeschichten” das Leben in Pärnu in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schildert. Der Vater von Elss Järvi arbeitete in der Fabrik “Waldhof” und die Familie wohnte im Flachslager, das früher Conze gehört hatte und in ein Arbeiterwohnhaus mit 24 Wohnungen umgebaut worden war.

Neeme Järvi war Dirigent und Chefdirigent des Estnischen Nationalen Sinfonieorchesters sowie Chefdirigent der Nationaloper „Estonia”. 1980 emigrierte er zusammen mit der Familie in die USA. Neeme Järvi ist einer der Dirigenten der Gegenwart, dessen Werke am häufigsten auf Schallplatten aufgenommen worden sind, er hat alle bekannteren Sinfonieorchester in Europa, Nordamerika, Japan und Australien geleitet und war ein gefragter Operndirigent in renommierten Theaterhäusern sowohl in Europa als auch in Nord- und Südamerika.